2024-04-27




















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Prozess und Hinrichtung von Marschall Ion Antonescu
(2009-02-27)
Zuletzt geändert: 2009-05-04 1:02 EET

Marschall Ion Antonescu
Ion Antonescu

Marschall Ion Antonescu, der Mann mit martialischem Gehabe, der die Geschicke Rumäniens während des Zweiten Weltkriegs leitete, wird heute noch von vielen Rumänen als ein Held angesehen, der seine Heimat vor Sowjetrussland und dem Kommunismus verteidigt habe.

Die historische Figur ist allerdings umstritten: manche Historiker meinen, er wäre zumindest am Anfang ein Mann der staatlichen Raison gewesen, andere wiederum lasten ihm den unweigerlichen Beitrag zur Einführung der Rassengesetze nach deutschem Vorbild und Kriegsverbrechen an.

Eine tragische Figur in einer tragischen Zeit war Antonescu auf jeden Fall, ebenso seine Hinrichtung durch die Sowjets, nach einem kurzen Prozess.

Der Kriegsverbrechen angeschuldigt, für schuldig befunden und anschließend hingerichtet wurden zusammen mit Ion Antonescu der Vizeministerpräsident Mihai Antonescu (der gleiche Name ist ein Zufall, die beiden waren nicht verwandt), der Gouverneur von Transnistrien, Gheorghe Alexianu, und Piky Vasiliu, Kommandant der rumänischen Gendarmerie.

Viele Stimmen wurden damals laut, die sagten, dass der Prozess von den sowjetischen Besatzern beeinflusst worden sei und dass die Richter, die ihn und die anderen Angeklagten für schuldig befunden haben, einen totalitären kommunistischen Staat vertraten, einen Staat der damals schon begonnen hatte, stalinistische Regime in Osteuropa zu installieren.

Die kommunistische, pro-sowjetische Presse nannte diese Justiz den “Prozess des nationalen Hochverrats”. Nur 4 Wochen dauerte die Rechtsfindung: der Prozess begann am 6.Mai 1946, das Urteil wurde am 1.Juni 1946 vollstreckt. Die gravierendsten Vorwürfe gegen die Angeklagten waren der Einsatz der rumänischen Armee an der Seite von Hitlerdeutschland und die rassistische Gesetzgebung. Ion Antonescu wurde auch das antijüdische Pogrom in der ostrumänischen Stadt Iaşi (Jassy) 1941 vorgeworfen; gleichfalls das Massaker in der rumänisch besetzten Stadt Odessa sowie die Deportation der Juden und Roma in die Vernichtungslager von Transnistrien.

Im Jahr 2001 hat das Zentrum für “Erlebte Geschichte” des Rumänischen Rundfunks ein Interview mit Constantin Popovici aufgenommen, der als Zeitzeuge bei der Hinrichtung der Antonescu-Gruppe zugegen war. Popovici war Leutnant in der sowjetischen Armee und wurde als Verbindungsoffizier und Dolmetscher in den Beziehungen zur rumänischen Armee eingesetzt. Sein Dienstvorgesetzter schickte ihn zusammen mit einem Techniker zur Hinrichtung, um die Exekution auf Filmstreifen aufzunehmen. Popovici erinnert sich noch sehr lebendig an den Tag:

Am Vortag der Hinrichtung hat man mir befohlen, zusammen mit dem Filmtechniker namens Babrow nach Jilava zu fahren, ein Vorort von Bukarest. Ich muss ehrlich zugeben, es hat mir überhaupt kein Vergnügen bereitet, mit ansehen zu müssen, wie Leute erschossen werden. Ich hätte es am liebsten jemand anderem übertragen, aber der General bestand darauf. Ich sagte ihm, ich hätte keinen Ausweis, und versuchte damit, eine Ausrede zu erfinden. Doch der General verwies mich darauf, dass ich mich als sowjetischer Offizier ausweisen könne und dass das genüge. In Jilava hatten sich sehr viele Leute versammelt. Anwesend waren auch Vertreter des diplomatischen Korps. Es war ein sehr heißer Sommertag und man musste lange warten. Zuerst ist der Priester gekommen, der versucht hat, sich für die Verurteilten einzusetzen. Er meinte, wir seien doch alle Christen, wie könnten wir folglich diesen Menschen das Leben nehmen? Doch der Priester wurde von den Sicherheitsleuten auf den Arm genommen und musste kehrtmachen.

Constantin Popovici
Constantin Popovici

Nicht weniger erschütternd war der Augenblick der Hinrichtung und wie die dem Tode geweihten reagierten. Constantin Popovici erinnert sich:

Hinrichtung Antonescus
Hinrichtung Antonescus
Die vier Verurteilten wurden, von Soldaten umgeben, aus dem Gefängnis herausgebracht. Wenn ich mich nicht irre, sind es solche von der Gendarmerie gewesen. Etwa 200 Meter mussten zurückgelegt werden, bis wir zu einem Gelände mit der Größe eines Fußballplatzes gelangten. Anführer des Todeszuges war Avram Bunaciu, Generalsekretär im Innenministerium. Rechts stand Marschall Antonescu; an seiner Seite Mihai Antonescu und danach kamen Alexianu und Piky Vasiliu. Wir gelangten zu einem Ort, der “Valea Plângerii” (dt. Klagetal) hieß und von dem gesagt wurde, es sei ein Ort, wo [während des Kriegs] Kommunisten hingerichtet worden waren. Bunaciu war also anwesend, zusammen mit dem rumänischen Staatsanwalt, dem Filmtechniker und einem Arzt. Für jeden Angeklagten wurde das Urteil einzeln verlesen. Der Marschall sagte: “Mein letzter Wunsch ist dieser: man möge mir weder Hände, noch Augen verbinden. Ich möchte dem Tod in die Augen sehen”. Mihai Antonescu und Alexianu sagten das Gleiche. Piky Vasiliu verließ der Mut: in einem Schwächeanfall weinte er und betete. Er beteuerte immer wieder seine Unschuld und wollte, dass man ihm die Hände und Augen verbinde.

Constantin Popovici war der letzte Mensch, der den Marschall Antonescu lebend gesehen hat. Die Hinrichtung hat ihn sehr mitgenommen, auch wenn ihm die Greueltaten des Krieges bestens bekannt waren.

Nach Verlesung des Urteils wurde “Feuer” befohlen. Ich stand drei-vier Schritte vom Marschall entfernt und erinnere mich ganz genau an die Todesszene. Der Marschall fiel um hielt sich mit der linken Hand am Boden fest. Mit letzten Atemzügen konnte er sich noch aufrichten und sagen: „Ich bin nicht tot”. Danach fiel er tot um. Gnadenschüsse sind nicht mehr abgefeuert worden. Man hat nicht mehr auf den Marschall geschossen. Wir sind dann nach Bukarest zurückgefahren. Auf dem Rückweg haben wir nicht untereinander geredet; die Szene mit der Hinrichtung hatte uns tief beeindruckt. Auf dem Weg sahen wir noch die Fahrzeuge vom Krematorium. Man sagte uns nachträglich, ihre sterblichen Hüllen seien eingeäschert worden und die Asche habe man in die Lüfte verbreitet. Gräber gibt es keine. Nicht das ich wüsste, auf jeden Fall.

Hinrichtung Antonescus
Hinrichtung Antonescus

Den Film mit der Hinrichtung der Antonescu-Gruppe gibt es auch heute noch. Der Regisseur Sergiu Nicolaescu band ihn in seinem Langspielstreifen „Oglinda“ („Der Spiegel“) ein, der die damaligen Ereignisse vielmehr verklärt als aufarbeitet.

Ein Beitrag von Steliu Lambru, deutsch von Cornelia Stanciu

 
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